„Die Erde ist ausgelaugt, alle Hoffnung liegen nun auf einem Kolonieschiff und seiner Reise zu einem fernen Planeten im Epsilon-Eridani-System. 210 Jahre wird die Reise dauern, dreizehn Generationen werden an Bord des Schiffes geboren werden, bis die Reise endet. Sechs Generationen lang lief alles nach Plan.“
„In Gen7 verkörpern die Spieler den Kommandostab der siebten Generation. Sie stehen vor einer dramatischen Entdeckung, die alles verändern wird. Ein Geheimnis kommt ans Licht, das die ganze Mission gefährdet.
Gen7 ist ein großes erzählorientiertes Spiel mit verzweigten Pfaden. Die Entscheidungen der Spieler bestimmen den Verlauf der Handlung, manche Elemente werden vielleicht niemals auftauchen. In einer umfangreichen Kampagne müssen Missionen erfüllt und gleichzeitig die eigene Agenda vorangetrieben werden. Gen7 lässt die Spieler eine ganz individuelle Geschichte erleben, während sie das Kolonieschiff durch die Tiefen des Alls steuern.“
Soweit die offizielle Beschreibung zum Legacy-Spiel „GEN7“ von Plaid Hat Games
Was ist ein Legacy-Spiel?
Bevor ich zur ersten Episode komme, zunächst noch eine Erklärung, was ein Legacy-Spiel überhaupt ist. Bei einem solchen (Brett-)Spiel können sich die Regeln und/oder der Spielplan im Laufe des Spiels ändern, wobei diese Änderungen auch für spätere Spielrunden erhalten bleiben. Legacy-Spiele versuchen also in gewisser Weise die Idee einer Rollenspiel-Kampagne in ein Brettspiel – in dem Fall „GEN7“ – zu übernehmen.

Das von „Plaid Hat Games“ und Seve Nix produzierte Spiel (deutsche Ausgabe von „Asmodee“) verwendet das „Crossroads“-System, welches bereits bei „Winter der Toten“ zum Einsatz kam.
Der Hintergrund
Bei „GEN7“ sind alle Spieler Offiziere auf einem Generationen-Raumschiff, dass sich auf dem Weg nach Epsilon Eridiani befindet. Sie gehören zur „verflixten“ siebten Generation. Alle Personen an Bord des Raumschiffs – dessen Namen man selbst festlegen darf – haben bestimmte Aufgaben zu erfüllen und sind für verschiedene Abteilungen zuständig. Um die Funktion des Schiffs und ein reibungsloses Zusammenleben zu gewährleisten, wechseln sich alle Bewohner in einem Wach-Schlaf-Rhythmus ab. Nach 4 Monaten Arbeit folgen 8 Monate Kälteschlaf – Jahr für Jahr. Und über allem wacht CARE-N, die künstliche Intelligenz des Schiffs.

Das Spiel
Spieltechnisch untergliedert sich „GEN7“ in zwei Bereiche:
Arbeitsaufträge, persönliche Ziele und das Allgemeinwohl
Das Spielfeld besteht auf mehreren Räumen in Form von Pappkarten, die jeweils zu einer Abteilung (Kommando, Computer, Energie, Biosphäre) gehören. In jedem Raum können verschiedene Aufgaben erfüllt und Ressourcen (Ersatzteile, Daten, Chemikalien) produziert werden. Außerdem ist jeder Spieler – bzw. der Offizier, den er verkörpert – für einen bestimmten Wohnbereich (Wissenschaft, Ingenieurwesen, Biotechnologie, Kybernetik, Logistik) zuständig und hat das Kommando über bis zu fünf Kolonisten (Mitarbeiter), sowie einen Arbeitsroboter. Offizier (W8), Kolonisten (W6) und Roboter (W12) werden durch unterschiedliche Würfel dargestellt.

Leider ist das Leben an Bord eines Raumschiffs nicht ganz so entspannt, wie man meinen könnte. Es gibt immer etwas zu tun. So erhält jeder Spieler eine Hand voll persönliche Aufgaben in Form von Karten, die er während einer Episode zu erledigen hat. Und hier können während des Spiels auch immer mal wieder neue Aufgaben dazu kommen. Zusätzlich wird einem das Leben auch noch durch Karten mit Prioritätsaufgaben erschwert. Dabei handelt es sich um Dinge, die das gesamte Schiff betreffen – beispielsweise die Durchführung einer Systemdiagnose, das Schließen eines Kühlmittellecks oder die Beschaffung von Ressourcen. Mit fortlaufendem Spiel werden diese Aufgaben immer mehr und schwieriger und irgendwann ist man gezwungen, seine Arbeitskräfte und Ressourcen zwischen den persönlichen Zielen und dem Wohl des Schiffes zu verteilen.
Die persönlichen Aufgaben muss man erfüllen, um auf der Karriereleiter aufsteigen und neue Fähigkeiten erlernen zu können. Außerdem erhält man so mit der Zeit mehr Einfluss auf den Verlauf der Geschichte. Werden die Prioritätsaufgaben nicht erfüllt, fängt das Schiff an, Schaden zu nehmen, Stationen fallen aus und ganze Abteilungen können permanent geschlossen werden. – Die nächste Schicht wird sich freuen, ein halb zerstörtes Schiff übernehmen zu dürfen…

Was sich zunächst kompliziert anhört, folgt einem einfachen Regelprinzip:
Zu Beginn jeder Runde würfeln alle Spieler mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kolonisten-, Offiziers- und Roboterwürfeln. Die gewürfelte Augenzahl kann man als den aktuellen Zustand der Crew interpretieren – jeder kann mal einen schlechten Tag haben, motiviert sein, usw.
Diese Würfel und die verschiedenen Ressourcen werden dann reihum auf die Räume und Aufgaben verteilt. Sehr oft wird man dabei jedoch Hilfe von seinen Mitspielern benötigen, die ebenfalls Würfel und Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Zuordnung der Würfel unterliegt dabei bestimmten Regeln, die auf den jeweiligen Karten angegeben sind – beispielsweise müssen auf einem Prioritätsauftrag 3 Würfel platziert werden, wobei die Summe der ersten beiden Würfel exakt dem Wert des dritten Würfelns entsprechen muss.

Sind alle Würfel platziert, ist die Runde zu Ende und nicht erfüllte Prioritätsaufträge beschädigen das Schiff. Dann beginnt die nächste Runde. Diese Runden werden so lange fortgesetzt, bis die aktuelle Episode zu Ende ist.
Die Story
Der zweite – und aus meiner Sicht viel spannendere Part – ist die Story von „GEN7“. Denn für sich genommen wäre das Platzieren von Würfeln auf Dauer ziemlich langweilig. Daher bringt das Spiel neben einem dicken Buch mit der eigentlichen Geschichte auch noch einen Stapel verschlossener Umschläge, Beziehungskarten und Schicksalskarten mit.

In guter Gesellschaft
Hat man – so wie wir – neben dem Basisspiel auch die Erweiterung „Breaking Point“, können jedem Spieler noch zwei spezielle NSCs zugeordnet werden, zu denen er eine besondere Beziehung hat. Das kann einfach eine Freund:in, eine Arbeitskolleg:in oder auch einfach nur eine Bekannte oder ein Bekannter sein. Insgesamt stehen jeweils fünf Männer und Frauen mit eigenen Lebensläufen und Motivationen zur Auswahl.
Im Laufe des Spiels kommt es immer mal wieder zu Situationen, in denen man auf diese besonderen Charaktere trifft und bei denen man dann Entscheidungen treffen muss, welche die Beziehung zwischen einem selbst und diesen Charakteren nachhaltig beeinflusst und sie in die eine oder andere Richtung lenken kann. Was das für Situationen sind, wann die Entscheidungen getroffen werden müssen und welche Konsequenzen diese haben werden, weiß man zu Anfang natürlich noch nicht.

Des eigenen Schicksals Schmied
Ein weiteres wichtiges Element beim Spielen von „GEN7“ sind die aus dem „Crossroads“-System bekannten Schicksalskarten. Von diesem Kartenstapel werden während einer Runde immer wieder Karten gezogen, die ganz verschiedene Ereignisse beschreiben. Je nach gezogenem Ereignis müssen dann der aktuelle oder alle Spieler eine Entscheidung treffen, die Einfluss auf die Story oder aktuelle Situation an Bord des Schiffes hat.
Tach, Post!
Ein offensichtliches Legacy-Element sind die verschlossenen Umschläge in verschiedenen Größen, die bei „GEN7“ mit in der Box liegen, denn noch habe ich keine Ahnung, was diese alles enthalten. Je nach Verlauf der Story werden später einige (oder alle?) der Umschläge geöffnet und dem Spiel hinzugefügt werden. Dabei kann es sich um weitere Räume, Orte oder Karten handeln. Wir sind jedenfalls gespannt.
Entscheidungen mit Folgen
Der zentrale Dreh- und Angelpunkt der Story ist jedoch das Episoden-Buch. In diesem wird die Geschichte in mehreren aufeinander folgenden Episoden erzählt. Jede Episode gibt verschiedene Rahmenbedingungen – z. B. die Anzahl der Runden – vor. Und manchmal müssen am Ende auch wieder Entscheidungen getroffen werden, die den Verlauf der Geschichte verändern. Aber egal für was man sich entschiedet, spätestens nach 7 Episoden ist Schluss. Der Weg dorthin und wie das Ende (es soll 9 verschiedene Varianten geben) aussehen wird, hängt jedoch von unseren Entscheidungen als Spieler ab.
Spielmaterial und Regeln
Zum Abschluss noch ein Wort zum Spielmaterial. Wir haben sowohl das Grundspiel auf Deutsch, als auch die nur auf Englisch erschienene Erweiterung. Durch die Erweiterung hat man die Möglichkeit die Story mit bis zu 5 Spielern zu erleben und dabei jedem Spieler zwei (statt einer) Beziehungskarten zu geben. Außerdem ist als neuer Wohnbereich die Logistik dazu gekommen (die bei uns jedoch niemand haben wollte).

Es gibt nur wenig Bilder. Das Artwork beschränkt sich auf Illustrationen zu den Wohnbereichen und Arbeitsstationen (Räumen), sowie auf vereinzelte Illustrationen im Story-Buch. Der Rest ist Text. Sehr viel Text. Dennoch würde ich das Spielmaterial als sehr hochwertig bezeichnen. Es wird stabile Pappe verwendet, der Druck ist sauber und klar und der Style passt perfekt zum Setting. Allerdings sollte das Material auch gut sein, denn mit 100 Euro für das Grundspiel und 40 Euro für die Erweiterung wurde 2018/2019 schon ein stolzer Preis aufgerufen. So viel Geld hätte ich für dieses Spiel vermutlich nicht ausgegeben. Mit etwas Glück kann man Grundspiel und Erweiterung inzwischen jedoch für 20-30 Euro bekommen – und damit war es für mich/uns allemal einen Blick wert.

Leider kann die unstrukturierte Anleitung dem hohen Anspruch nicht genügen und macht den Einstieg ins Spiel nur unnötig kompliziert. Immerhin scheint die englische Errata in der deutschen Version bereits enthalten zu sein.
Trotzdem habe ich als Alternative eine Regelreferenz erstellt, die alles wichtige beinhalten sollte. Neben den Regeln des Grundspiels und der Erweiterung sind darin auch zwei optionale Regeln von Designer Seve Nix zu finden.
Fakten
Verlag: Plaid Hat Games (Asmodee)
Autor: Steve Nix
Spieleranzahl: 3-4 (3-6 mit der Erweiterung)
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 60-90 Minuten (je Episode)

Fotos der englischen Ausgabe aus „Gen7 – A (Huge!) Pictorial Unboxing“ (BoardGameGeek), mit freundlicher Genehmigung von Simon C.