Rollenspiel ohne Spielleiter
Am 29.12.2020 war es soweit, unsere Gruppe hat die erste Runde – mehr oder weniger – spielleiterlos Pen&Paper gespielt – natürlich Online über Discord und MapTool. Hier nun meine Eindrücke dazu, was mir gefallen hat, was ich weniger gut fand und welche Story sich für unsere Charaktere daraus ergeben hat.
Nichts ohne Kontext
Wir waren insgesamt 5 Spieler, inklusive mir als „Spielleiter“. Allerdings habe ich meine Rolle mehr als Moderator und weniger als klassischen Spielleiter gesehen. Denn zum einen hatte ich – im Gegensatz zu anderen Spielsitzungen – kaum etwas vorbereitet und zum anderen war ich mit einem eigenen Charakter mit dabei. Meine Aufgabe bestand daher hauptsächlich daraus, hin und wieder einen der Zufallsgeneratoren zu starten.
Dabei wurde schnell klar, dass der schwierigste Teil die Interpretation der von den Zufallstabellen gelieferten Ergebnisse war – aber gleichzeitig auch die spannendste. Denn welche Bedeutung ein einfacher Stichpunkt hat, ergibt sich immer erst aus dem Kontext und dem, was die Spieler daraus machen.
Aber fangen wir doch einfach mal an…
Die Charaktere
Bevor es tatsächlich los geht, noch kurz ein paar Worte zu den Charakteren. Diese kennen sich seit ungefähr einem Jahr und betreiben ein Geschäft, bei dem es sich offiziell um ein Charter-Unternehmen für Passagier- und Frachtransporte. Aber sie bieten auch Urlaubsflüge für zahlungskräftige Kunden oder einen neutralen Boden für Verhandlungen an. Dafür verfügen die Charaktere über ein entsprechend hergerichtetes Schiff (C-ROC Gozanti-Klasse).
Aber wie es sich für „Am Rande des Imperiums“ gehört, gehören auch weniger legale Aktivitäten – beispielsweise Schmuggel – zur ihrem Repertoire.
Im Auftrag der Rebellen
„Die letzten Wochen waren sehr ruhig gewesen, kaum Aufträge, nicht viel für uns zu tun. Doch selbst hier in den Kernwelten konnte man spüren, dass sich da draußen etwas verändert hatte. Das Imperium war nicht mehr so präsent wie früher – die die Schiffe und Soldaten wurden nun an anderen Stellen gebraucht – aber die, die noch da waren, waren unruhiger, misstrauischer… und vielleicht auch verängstigter.“



„Da war es schon fast erschreckend, als dieser komische Kerl in unser Büro gepoltert kam. Er war nicht sehr alt, hatte die abgewetzte Kleidung eines Schmugglers aus dem Outer Rim an und war weder charmant, noch freundlich. Aber er schien Geld zu haben, zumindest sagte er uns das.
Wir sollten für ihn ein paar Kisten nach Lytho Mindalitan Rim transportieren, eine abgelegene Uran-Bergbau-Kolonie im Outer Rim. Den Großteil der Strecke würden wir auf einer der bekannten Hyperraum-Routen zurücklegen können und dann wäre es nur noch ein kurzer Sprung.“





„Eine kurze Überprüfung ergab, dass in dieser Region seit ein paar Wochen kaum noch imperiale Aktivitäten gab, vor unerwünschten Kontrollen sollten wir sicher sein. Und da uns der gute Mann zwar die Fracht und 2.000 Credits in Cash, aber keine Papiere geben konnte, war das auch gut so. Apropos, die Ladung bestand letztlich aus vier Metallkisten und sollten möglichst keinen Temperaturschwankungen ausgesetzt werden. 2.000 Credits bekamen wir sofort, weitere 1.000 wurden uns bei Ablieferung versprochen.“

„Nachdem die Fracht an Bord war, flogen wir los. Drei Tage später hatten wir unsere Abzweigung von der Standard-Route erreicht. Doch kaum waren wir aus dem Hyperraum gefallen, wurde das Schiff von einem Ionen-Sturm erfasst und ordentlich durchgeschüttelt. Die Sensoren fielen aus, doch konnten recht schnell wieder in Gang gebracht werden. Gut… denn blind und taub durchs All zu treiben ist keine lustige Sache. Die ebenfalls durch den Ionen-Sturm ausgefallenen Feuerleitsysteme brauchten noch etwas länger mit der Reparatur, aber das konnte auf dem letzten Teilstück nach Lytho erledigt werden.
Da wir durch den Sturm sowieso einen kleinen Umweg fliegen mussten, brauchten wir für diesen letzten Sprung auch nochmal einen Tag, aber dafür landeten wir auf den Punkt genau.
Lytho Mindalitan entpuppte sich als überraschend hübsch – wenn man auf Berge, Hügel und Wälder steht. Auffällig waren nur die vielen Türme, welche die Zugänge zu den unterirdischen Minen anzeigten und die kleinen Siedlungen, die sich in ihrer Nähe gebildet hatten. Und eine dieser Siedlungen war unser Ziel.“



„Dort wurden wir bereits von einem Trandoshaner erwartet, der wohl zufrieden mit unserer Arbeit war, auch wenn er uns früher erwartet hatte. Die restlichen Credits bekamen wir ohne Diskussion.
Leider war weit und breit keine Kneipe zu sehen und es gab ein Alkoholverbot. Es war offensichtlich, dass die Leute dort nur selten Besuch bekamen.
Da wir ungern leer die Rückreise antreten wollten, fragten wir nach, ob wir nicht ein paar Kisten Erz mitnehmen sollten. Grundsätzlich wäre das schon möglich gewesen, doch dazu hätten wir mit der Minengesellschaft verhandeln müssen – und das hätte ein paar Tage dauern können.“




„Der Trandoshaner machte uns stattdessen ein Gegenangebot. Bei den Ausgrabungen hatte man etwas gefunden, was wir mit zurücknehmen und an seinen Kontakt – ja, den unfreundlichen Kerl, dessen Auftrag uns erst hierher gebracht hatte – übergeben sollten. Die Kiste sollte auf keinen Fall in fremde Hände fallen. Dazu zauberte auch noch ein paar Codes hervor, mit denen die Einfuhr nach Centerpoint Station genehmigt war. Woher hatte der Typ diese Sachen nur?
Die Bezahlung sollte wieder die gleiche sein. 2.000 Credits in Cash und die restlichen 1.000 bei Ablieferung. Aber er gab uns auch deutlich zu verstehen, dass es nicht gut für unsere Geschäfte sein würde, würden wir den Auftrag vermasseln.“



Fazit
So, das war also unser erster Versuch eines potentiell spielleiterlosen Rollenspiels. Insgesamt hatte die Sitzung ungefähr 3 Stunden gedauert.
Für mich als Pseudo-Spielleiter fühlte es sich seltsam an, bei Beschreibungen nicht mehr von „ihr seht“, sondern „wir sehen“ zu sprechen. Das wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich da gedanklich umschalten kann. Daher habe ich meinen Charakter auch weitestgehend aus dem Spielgeschehen heraus genommen gehabt. Aber er wurde auch nicht wirklich gebraucht.
Tatsächlich gab es nur wenige Proben, die gewürfelt wurden. Mal eine Schiffsreparatur hier oder eine Astronavigation da, aber viel mehr gab es in dieser Hinsicht nicht zu tun. Das war aber gar nicht mal schlimm, denn es ging mehr um die Story, weniger um irgendwelche Fertigkeitswerte.
Und bei der Story hat sich dann auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Es war schon ein wenig unheimlich, wie die verschiedenen Zufalls-Ereignisse und -Daten nach und nach ein Gesamtbild ergaben. Eins passte (meistens) zum anderen. Wichtig war aus meiner Sicht dabei, dass alle Spieler gemeinsam überlegt haben, was die Ergebnisse zu bedeuten hatten und nicht nur ich als Spielleiter. So haben wir die Geschichte gemeinsam fortgeführt.
An zwei, drei Stellen hatten die Zufallstabellen aber tatsächlich Müll ausgespuckt oder zumindest Dinge geliefert, mit denen wir nichts anfangen konnten. Wir wollten uns einfach nicht um die persönlichen Probleme eines – noch dazu unfreundlichen – Bauern kümmern, während uns die Rebellen auf unsere Vertrauenswürdigkeit testen.
Auch wenn es durchaus noch etwas holprig war – ich muss auch erstmal lernen, wie all die Zufallstabellen miteinander zusammenspielen – war es doch eine durchaus interessante Rollenspiel-Erfahrung. Wir werden das Experiment jedenfalls fortsetzen…